Ist Island nur noch überlaufen...?

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Bernd_B

Re: Ist Island nur noch überlaufen...?

Beitrag von Bernd_B » Mi 16. Jul 2014, 02:32

Es wurde zum Thema "Tourismus", "Massentourismus", "Veränderungen über die Jahre" … schon vieles geschrieben. Das Meiste wurde mehrfach bestätigt, und auch ich könnte es nur ein weiteres Mal bestätigen.

Eines jedoch würde ich gerne etwas klarer heraus stellen, als es bisher - wie ich meine - zum Ausdruck kommen konnte.

Ja, es stimmt, dass alle, die nach Island reisen, Touristen sind.
Nun gut, wer sich in einem fremden Land befindet ist eben mal Tourist. Es sei denn, er wäre Geschäftsreisender oder auf der Flucht. Und die Touristenzahlen wachsen in Island seit den 90er-Jahren merklich.

Nur: welche Touristen sorgen für diesen Zuwachs?

In den 80er-Jahren stand man am Geysir und war fast alleine, auch bei Sonnenschein. Ein paar Wenige - meist ebenfalls Touristen - gab es schon. Aber: sie verhielten sich ruhig, hatten sichtlich Achtung vor der Natur in der sie sein durften und sie kamen in Wanderschuhen, denn der "Rote Teppich" war noch nicht ausgerollt.
Auch fünfzig dieser Leute hätten kein Geschrei verursacht.

Hierzu ein, wie ich meine, vielsagendes Erlebnis:
Es war 1991.
Ich war unterwegs mit einer Bekannten aus Belgien. Wir hatten unseren Rucksack dabei, mehr nicht.
Wir trafen einen ihrerseits guten Bekannten. Dieser bot ganz kleine Gruppenreisen durch Island an - nur so viele Leute, wie in seinem Land Rover Platz fanden - ganz bestimmt nicht lukrativ. Im Winter war er mit demselben Fahrzeug in der Sahara unterwegs.
Kurz: er kannte Island schon länger und besser als ich.
Mir war nicht entgangen, dass er die Leute auf dem Zeltplatz, auf dem wir uns trafen - die meisten mit Rucksack und Zelt, genauso wie wir - sehr kritisch anschaute. Kritisch? Besser: bedenklich und in sich gekehrt.
Auf meine Frage, was denn in ihm vorgehe, antwortete er:
"Look at all those people"
Ich schaute hin und anschließend mit dem gleichen fragenden Blick wieder auf ihn.
"Something is changing", hieß seine Antwort.
Eine Antwort, die ich erst später verstehen konnte.

Seit den 90-er Jahren ist zunehmed ein anderer "Schlag von Touristen" in Island unterwegs.
Das zeigt sich in seinem Extrem durch Leute, deren Verhalten ein einziges Leitmotiv zu haben scheint:
Die Welt ist für MICH da! Und jetzt ist Island dran: Wellness, Natur konsumieren, Spaß haben, schließlich haben wir das gebucht.

Sicherlich, die Isländer haben dazu den entscheidenden Beitrag geleistet - durch die Werbetrommel, die sie gerührt haben. Und da geht es nun mal ums Geld und sonst um nichts!
Hätten sie es nicht getan, die Leute, die ich meine, würde es trotzdem geben - sie wären lediglich woanders, nicht in Island.

Geld … Tourismus … Gewinn … bis hin zu "nach mir die Sinnflut" - und sei es im eigenen Land - : schwieriges Thema, kein Frage.

Ganz diesem Sinne eine weitere Begebenheit:
Es war 2010.
Wir trafen ein isländisches Ehepaar. Er ist Geschäftsführer in der Tourismusbranche. Er ist aber auch sehr engagiert im Bereich Naturschutz. Sie ist im Bankwesen tätig.
Wir kamen ins Gepräch und sie erzählten vom Vorhaben, die Kjöllur zu asphaltieren. Sie meinten, wenn das verwirklicht worden wäre, dann "wäre es aus" [der Damm wäre gebrochen]. Dabei ließen sie nicht unerwähnt, dass u.a. die "Fraktion der isländischen Wohnmobilbesitzer" dieses Vorhaben maßgeblich unterstützten. Ihre letzte Bemerkung hierzu war (sinngemäß): "'Gott sei Dank' kam die [Banken]Krise dazwischen, dann war dafür kein Geld mehr vorhanden".

Was will ich mit all dem sagen?
Es gibt unterschiedliche Unterfangen: "Geld machen" und "Natur schützen". Beides geht wohl letztlich nicht zusammen. Da macht man sich etwas vor, während man zuschauen muß, wie langsam zugrunde geht, was man schützen wollte.
Und deswegen gibt es in Island unterschiedliche Gäste, die unterschiedlich beliebt sind, auch wenn sie alle gleich genannt werden: Touristen.

Ich wünsche jedem, ob er das erste mal oder einmal mehr und dann immer wieder nach Island reist, schöne Erlebnisse.

BB
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Jens Böhme
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Re: Ist Island nur noch überlaufen...?

Beitrag von Jens Böhme » Do 17. Jul 2014, 12:39

Ich muss gestehen, ich habe "noch nicht" den ganzen Thread gelesen, werde mir diesen aber heute Abend noch in Ruhe zu Gemüte führen. Möchte jedoch gern schon etwas dazu sagen und auf die Frage antworten.

Besuch Islands im Winter sicherlich anders

Ich war mit meiner Partnerin Ende Januar 2014 auf Island für eine Woche - quasi Winterurlaub als kleine Rundreise durch Island - und ich muss sagen, dass ich zwar keinen Vergleich zu vorhergehenden Jahren habe (da es für mich der erste Besuch war), ich aber kann nicht sagen, dass ich es als überlaufen empfunden habe. Vielleicht liegt es daran, dass wir im Winter da waren? Und gerade ich als Berliner, fühlte mich mal so richtig frei von Menschen und Hektik - egal, ob Wind, Sandsturm, Schneesturm, Stadt oder Städtchen oder überraschend schöne Landschaft in Island.

Typische Touristengegenden sind "typisch belebt"

Klar, in Þingvellir oder bei den Geysiren war schon einiges los, das sind aber auch die typischen Touristenattraktionen. Auch unterwegs nach Snaefellsnes kamen uns einige wenige Touristen-Busse (vor allem kleinere) entgegen, aber an sich war es doch oft recht einsam und ruhig auf unserer Tour. Wenige Menschen und Natur pur! So habe ich mir zum Teil Island vorgestellt. Es war herrlich!

Wir sind an einem Tag die ganze Halbinsel Snaefellsnes abgefahren und bis hoch nach Stykkishólmur und dann wieder zurück nach Borgarnes. Da war nicht viel los, wenn ich ehrlich bin.

Grundsätzlich denke ich, dass es sicherlich ein saisonaler Unterschied ist, ob es sich als "überlaufen" oder "weitgehend touristisch normal" oder gar "einsam-abenteuerlich" anfühlt.
Jörg aus Sachsen
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Re: Ist Island nur noch überlaufen...?

Beitrag von Jörg aus Sachsen » Mi 5. Okt 2016, 14:01

Ich kann da eine eigenartige Begebenheit beisteuern:

Meine Frau und ich sind am 14.09.2016 die Sprengisandur von Norden nach Süden mit unserem Lada Niva gefahren. Tags zuvor war die Straße auf der Karte noch grau wegen Schnee. Ich hatte einen gehörigen Respekt vor den Furten in Nyidalur. Dort kam uns ein "weichgespülter" SUV Mietwagen mit einem asiatischen Pärchen (ich hab nichts gegen Asiaten) drin entgegen. Er stieg aus, zeigte mir sein Handy mit Google Maps und fragte nach Landmannalaugar (fast 100 km Piste in die falsche Richtung). Natürlich lass ich niemanden im Hochland alleine stehen und haben die beiden bis zum Abzweig mitgenommen.

Ich wusste jedoch nicht, ob es mir zum lachen oder weinen war.

Es gibt halt Touristen die sich auf das Land vorbereiten und erleben oder Touristen die einfach drauf los fahren und nur Fun haben wollen.

Jörg
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Re: Ist Island nur noch überlaufen...?

Beitrag von buergermeister » Mi 5. Okt 2016, 22:04

Sommer 1999 am Kverkfjöll .

Nach einer flotten Anfahrt von Dreki ( 2 KTM Adventure ) trafen wir frühzeitig an der Hütte ein .
Kurz beim Warden vorbei geschaut zusammen einen Tee getrunken und die Schlafsäcke aufs Bett gepackt .
Himmlische Ruhe alles bestens .

Später kam ein kleiner Bus an ca. 20 Leute erst die Welle im Bus , der Fahrer hatte es auf der Anfahrt nicht geschafft den Bus zu versenken .
Alle in die Hütte in kurzer Zeit war der Wasserkessel leer und keiner kam auf die Idee ihn wieder aufzufüllen .

In weiser Voraussicht bauten wir unserer Zelt auf was der Warden mitbekam . Er kam mit einer Hand voll Kronen zu uns , die Differenz zur Übernachtung im Zelt wohl ahnend was da noch kommt .

Einer von der Bustruppe stand an meiner KTM und trat immer wieder gegen das Hinterrad .
Ich stellte mich dazu , ein interessanter Dialog begann :

Ich " Hallo " " Er " Hallo "

" Schön hier ? " " Nee nur Steine "

" Machts Spaß ? "

Tritt weiterhin gegen mein Motorrad " Ja macht Spaß "

" Ich trete ihm mit dem Cross Stiefel vors Schienbein " Eh spinnst du was soll das "

" Macht Spaß ! "

Später hat die Truppe dem Warden eine Suchaktion auf dem Gletscher und eine Schlaflose Nacht
beschert , nach der Rettungsaktion wurde bis zum frühen Morgen gesoffen .

Kommentar von meinem Kumpel : " Im nächsten Jahr sind die wieder am Ballermann . "

17 Jahre später frage ich mich soll ich noch mal nach Island reisen ?

Grüße aussem Pott

Detlef
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Re: Ist Island nur noch überlaufen...?

Beitrag von Ute » Do 6. Okt 2016, 09:36

Hallo,
das sind ja grauslige Erlebnisse - die antiautoritäre Erziehung läßt grüßen.
Wir waren diesjahr mit unserer neunjährigen Tochter in Island, und sie hat die anderen Touristen wohl beobachtet.
Ständig mußte ich ihr erklären, daß das, was diese Touris tun, falsch ist - und wie es richtig sein soll.
Später hat sie mich dann auf solche Leute aufmerksam gemacht - die sich in der Natur daneben benommen haben.
Naja. zumindest hat sie was gelernt und wird hoffentlich später verantwortungsvoll handeln.

liebe Grüße
Ute
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Re: Ist Island nur noch überlaufen...?

Beitrag von 0815-Islandfan » Sa 8. Okt 2016, 10:25

Was den sogenannten "Goldenen Zirkel" angeht, herrscht dort definitiv Massentourismus.
Wir reisen seit 30 Jahren nach Island und beobachten in den letzten Jahren immer mehr, dass isländische Touristikveranstalter, Hoteliers, Mietwagenfirmen etc. immer höhere Preise verlangen und immer weniger Service oder schlechte Qualität bieten.
Beste Beispiel ist die Blaue Lagune. 50 Euro und Vorausbuchung verlange die die dank Massentourismus für den Eintritt in ein Abwasserbad; denn nichts anderes ist die Blaue Lagune. Angesichts der Massen im Bad ist der vermarktete Gesundheitsfaktor der Blauen Lagune mehr als Fragwürdig; nsbesondere durch das Ballermann Feeling im Bereich der Bar im Wasser wo dann auch viele Plastikbecher unter Wasser vorgefunden werden können. Was das mit Gesundheit zu tun hat, erschließt sich uns nicht.
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Re: Ist Island nur noch überlaufen...?

Beitrag von Argish » Sa 8. Okt 2016, 21:50

Nicht mehr lange. Nächstes Jahr steigen die Preise massiv im Tourismusbereich. Dann wird bald der Zenit erreicht sein.
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Re: Ist Island nur noch überlaufen...?

Beitrag von marled » So 9. Okt 2016, 18:33

Nächstes Jahr steigen die Preise massiv im Tourismusbereich.

Hmmm, die sind jetzt schon massiv gestiegen!
Dann wird bald der Zenit erreicht sein.
Hast du eine Glaskugel befragt? Meine sagt jedenfalls Folgendes:
Nach/mit den vielen Asiaten werden in Zukunft wohl auch viele Inder die Insel besuchen - bei den vielen Bollywood-Filmen, die zur Zeit auf Island gedreht werden. Und wer es sich überhaupt in Indien leisten kann, nach Island zu fliegen, fragt dann auch nicht mehr nach Übernachtungs- oder Essenspreisen, er/sie will nur was "erleben".
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Re: Ist Island nur noch überlaufen...?

Beitrag von Argish » So 9. Okt 2016, 21:39

marled hat geschrieben:Hmmm, die sind jetzt schon massiv gestiegen!

Ja, und sie werden nächstes Jahr noch deutlicher steigen. Kann dir nicht mehr sagen wieviel Prozent. Aber enorm viel.
Hast du eine Glaskugel befragt? Meine sagt jedenfalls Folgendes
Nein, aber wenn es so weitergeht, werden die Preise nicht mehr bezahlbar sein. Weder von Inder noch von Chinesen oder Europäern.
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Re: Ist Island nur noch überlaufen...?

Beitrag von buergermeister » So 9. Okt 2016, 22:00

Da hat wohl einer zu heiß gebadet

http://www.ruv.is/frett/ferdamadurinn-t ... -vera-laug

Grüße aussem Pott

Detlef

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