10 Tage Februar 2015 - Ich fürchte, mich hat's erwischt...

Erfahrungsaustausch mal ausführlich.
Kim T.
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10 Tage Februar 2015 - Ich fürchte, mich hat's erwischt...

Beitrag von Kim T. » Fr 20. Mär 2015, 09:19

Hallo zusammen,

da mir Einige von euch bei der Recherche und Reiseplanung im Vorfeld geholfen haben, ist es nur fair, nun auch einen kleinen Bericht zu liefern 
Ich war im Februar für 10 Tage auf Island, zum ersten Mal im Land selber und nicht nur in Keflavík umgestiegen, und ich fürchte, es hat mich erwischt. Jetzt bin ich seit vier Wochen zurück, und an der Begeisterung hat sich nichts verändert. Ich wollte erst mal abwarten, ob der Enthusiasmus nur ein kurzfristiges Strohfeuer war, aber es fühlt sich nicht so an…

Tag 1:
Ich bin ab Basel mit Easyjet geflogen und kam nachmittags in Keflavík an. Dort habe ich ein bisschen auf den richtigen Bus gewartet, weil ich kurzfristig ein paar Tage vorher doch noch ein Kombiticket für die Blue Lagoon gebucht hatte. Außerdem hatte ich meine erste Begegnung mit einem jungen, ironischen Isländer, der die verwirrten Touristen zu den richtigen Bussen dirigierte. Sehr cooler Sinn für Humor, das hat mir sofort gefallen!

An der Blue Lagoon hab ich den Koffer und Rucksack zur Aufbewahrung gegeben und mir das griffbereit extra verpackte Badezeug geschnappt. Es war surreal bis zum Hals im warmen Wasser zu sitzen, während das Gesicht Sturmböen und Schneeschauern ausgesetzt ist. Ich war froh, dass ich die Badekappe doch mitgenommen hatte, die hat zumindest ein bisschen gewärmt. Mit dem Wind, der Dunkelheit und dem Nebel konnte ich teilweise keine 5m weit schauen, was so wirkte, als sei ich völlig allein in der Anlage. Schon ein bisschen unheimlich… Eigentlich hätte mir eine Stunde völlig gereicht, aber zwischen 19 und 20 Uhr ging kein Bus nach Reykjavík, so dass ich zwei Stunden bleiben musste.

Dann kam der Bus, und ließ uns eine gefühlte Ewigkeit in der Kälte Schlange stehen. Irgendwann hab ich auf eigene Faust die Gepäckklappe geöffnet und meinen Koffer verstaut. Sie haben zwar unsere Ziele auf einer Liste abgehakt, aber der Busfahrer war aushilfsweise aufgrund der Massen von Touristen eingestellt worden, sprach quasi kein Englisch und kannte sich offensichtlich auch nicht wirklich aus. Er fuhr kreuz und quer durch die Stadt, hielt an irgendwelchen Straßenecken, schaute erwartungsvoll in den Bus, und wenn niemand reagierte, weil man keinen Hotel- oder Gästehausnamen sehen konnte, machte er die Tür wieder zu, grübelte 10 Minuten über dem nächsten Ziel und fuhr dann weiter. Um 23.30 Uhr hatte er ca. ein Drittel seiner Passagiere abgeliefert und hat den Rest von uns kommentarlos am BSI rausgeworfen, wo wir dann erst mal gestrandet waren. Der arme Typ dort war völlig entgeistert, hat uns dann aber einen Fahrer besorgt, der uns mit einem Van zu den restlichen Hotels gebracht hat. An meinem war ich dann um Mitternacht, und das Schlimmste war, dass wir in der Gegend vorher auch gehalten hatten, aber ich eben keinen blassen Schimmer gehabt hatte, dass ich da hätte aussteigen müssen…

Tag 2:
Vormittags holten mich die Guides von Dive.IS zur Schnorcheltour in der Silfraspalte ab. Da alle anderen Gäste mit dem eigenen Wagen kamen, war ich der einzige Gast im Bus, und wir hatten eine Menge Spaß! Nach den Formalien und einer Sicherheitseinweisung für die ganze Gruppe ging es dann an den kompliziertesten Teil: Das Anziehen der Dry Suits. Ich hatte recherchiert und war vorgewarnt, aber es war trotzdem unangenehm: als hätte man eine Nackenschiene an, würde von Kopf bis Fuß zusammengepresst und von der Halsbinde langsam erwürgt. Da ich vorher noch nie geschnorchelt war, hat mein Guide Louis noch kurz die Grundlagen erklärt, und dann ging es ins Wasser. Sofort war alles Unwohlsein vergessen! Das Licht unter Wasser, die unglaublich klare Sicht, die Farben und die Tatsache, dass man zwischen zwei tektonischen Platten schwimmt, waren schon etwas ganz Besonderes. Dazu kam natürlich der Abenteuerfaktor, bei 2°C Wassertemperatur und bis zu -8°C draußen im Wasser zu sein. Ich musste mich aktiv daran erinnern, gelegentlich den Kopf zu heben und nachzuschauen, ob ich denn noch bei meiner Gruppe war. Beim Aussteigen sind die Handschuhe am Geländer festgefroren. Ich war froh, dass ich mit Thermounterwäsche, wasserdichten Neoprensocken, Fleece-Mütze und Handwärmern gut vorbereitet war, denn beim Umziehen nach dem Ausstieg war es schon ziemlich kalt. Der Kakao und die Kekse von Dive.IS haben uns aber wieder aufgewärmt.

Nach der Tour haben die Guides mich am Saga-Museum abgesetzt, das ich ganz interessant fand. Mein Highlight war eine Figur, bei der ich eher beiläufig plötzlich Atembewegungen feststellte. Ich habe mich betont beiläufig entfernt und die nächsten 5 Minuten aus sicherer Entfernung spioniert, ob das nun ein Schauspieler oder eine Puppe war. Es war Letzteres, aber der Überraschungsfaktor für mich war schon extrem hoch. Glaube, die meisten anderen Besucher haben das gar nicht mitbekommen… Danach war ich noch im Aurora House, im Volcano House, habe eine Thai-Suppe gegessen und mich auf die 45 min Fußweg zurück zum Hotel gemacht.

Tag 3-6:
Morgens holte mich Savar von Trek.IS zu einer viertägigen Golden Circle & Þórsmörk Tour ab, von der ich noch keinen blassen Schimmer hatte, das sie das absolute Highlight meiner Reise werden sollte. Eher im Gegenteil, für mich war eine Winter Hiking-Tour in der Wildnis die große Unbekannte, absolutes Neuland, und ich wusste nicht so recht, was mich erwartete. Die erste große Überraschung war, dass im Superjeep nur ein weiteres Mädel wartete. Wir würden also quasi eine Private Tour zu zweit mit unserem Guide machen. Vormittag haben wir uns Þingvellir, Silfra, Gullfoss und Strokkur angeschaut, teilweise kürzere Spaziergänge gemacht und im Café zu Mittag gegessen. Landschaftlich war das schön, aber mir mit den ganzen Reisebussen viel zu touristisch überlaufen.

Dann ging es los Richtung Süden zu einer einstündigen Wanderung mit Steigeisen auf dem Eyjafjallajökull Gletscher. Langsam wurde es dunkel, und die abenteuerliche Fahrt nach Þórsmörk lag ja erst noch vor uns. Ich konnte bei dem Schneetreiben überhaupt nichts mehr sehen, aber Svavar hätte die Route durch Geröll, Flüsse und über Eis und Schnee vermutlich auch im Schlaf gefunden. Wir hatten die komplette Hütte die nächsten 2.5 Tage für uns. Er hat den Ofen angeworfen, Wasser vom Fluss geholt und uns ein tolles Abendessen gezaubert.

An den nächsten zwei Tagen haben wir dann auf Schneeschuhen die Gegend erkundet, Steilhänge erklommen und Flüsse durchquert. Aufgrund der Schneeverhältnisse konnten wir nicht überall hin, aber das fand ich nicht schlimm. Für mich war es das erste Mal, ohne fließendes Wasser oder Duschen und mit einem Klohaus in 100m Entfernung in einer Berghütte zu schlafen, und es hat so richtig Spaß gemacht. Svavar wusste alles über Islands Geschichte, Politik, Geologie, Flora, Fauna etc., und es gab keine Frage, die er mir nicht beantworten konnte. Außerdem hatte er ein sehr feines Gespür dafür, welche Herausforderungen für uns passten, ohne uns zu entmutigen, oder wann wir Pausen brauchten, ohne dass wir etwas sagen mussten. Er hat nordische Mythen und Geschichten zur Gegend erzählt, leckeres Essen gekocht, wir haben abends Karten gespielt, und es hat einfach alles gepasst. Selbst die Tour am dritten Tag durch strömenden Regen und Hagel hat Spaß mit ihm gemacht. Wir waren einfach in superguten Händen.

Am Sonntag war aufgrund des Schmelz- und Regenwassers unklar, ob wir es überhaupt raus zurück zur Straße schaffen würden. Trotz einiger heikler Situationen, wo die noch halb gefrorene Uferböschung beim Furten unter dem Jeep eingebrochen ist, oder es nicht auf Anhieb wieder aus einem Flussbett raus geklappt hat, hat Svavar uns souverän zurück nach Reykjavík gebracht. Ich war sehr traurig, dass die Tour schon wieder vorbei war, und mir hat es leid getan, dass ich nicht eine längere Tour oder mehrere Touren bei Trek gebucht hatte.
Er hat mich am Laundomat Café abgesetzt, ich habe gewaschen und dann noch das Nationalmuseum angeschaut, bevor ich dann abends den Luxus von Steckdosen, Duschen und fließendem Wasser wieder ausgekostet habe.

Tag 7:
Vormittags sollte es zu einem Ausritt mit Ishestar gehen. Da ich zwar früher geritten bin, aber das mittlerweile nur alle paar Jahre noch mache, hatte ich mich für die Lava Tour entschieden. Als über eine Stunde nach dem geplanten Termin noch niemand da gewesen war, hat das Mädel von der Rezeption für mich angerufen, und die haben ein Taxi geschickt. So war ich gerade noch rechtzeitig zum Sicherheitsvideo da. Es war eine ziemliche Massenveranstaltung mit vielen Leuten, die noch nie auf einem Pferd gesessen hatten. Das Ganze ist sehr professionell organisiert, aber obwohl sie die Gruppe nach kurzer Zeit in Anfänger und Fortgeschrittene aufgesplittet haben, habe ich mich nur mit Schritt und Trab doch ein bisschen gelangweilt. Da konnte aber der Anbieter nichts für, ich hatte mich schlicht und einfach unterschätzt und die falsche Tour ausgesucht. Zumindest war die Lavalandschaft im Schneetreiben doch noch ein kleines Abenteuer.

Nachmittags habe ich das Maritime Museum und den Seenotrettungskreuzer Odin besichtigt, Fish&Chips gegessen und mich dann auf den Weg zurück zum Hotel gemacht, um meine Sachen für die letzte Tour zu packen.

Tag 8-10:
Morgens ging es los zur Südküstentour mit Extreme Iceland. Wir waren zwar nur zu zehnt im Minibus, als eigentlich eine kleinere Gruppe, aber nach der Tour mit Trek war mir das eigentlich alles zu touristisch mit Abklappern der Standard-Sehenswürdigkeiten und Fotostopps. Björn, unser Fahrer, war aber sehr nett, und hat eine Menge Geschichten zu Island und zur Route erzählt. Wirt haben am Seljalandsfoss und Skógafoss angehalten, auf den Klippen von Dyrhólaey, am Strand von Reynisfjara und in Vík. Als wir abends an Jökulsárlón angehalten haben, konnte man leider vor lauter Schneetreiben und Dunkelheit gar nichts sehen, aber es lagen ja noch zwei Tage vor uns. Abends haben wir am Gästehaus gemeinsam zu Abend gegessen, und nachts habe ich glücklos auf Nordlichter gewartet.

Am nächsten Tag waren wir in zwei Gruppen für eine Eishöhlentour geplant. Ich hatte den Vormittag frei und habe mich einfach zu Fuß auf den Weg nach Jökulsárlón gemacht. Allerdings hat mich auf dem Hinweg auf halber Strecke ein deutsches Paar aus Karlsruhe aufgelesen, und auf dem Rückweg ein netter isländischer Ice Guide, so dass ich im Endeffekt nur 13km unterwegs war. Es war zwar bewölkt, aber die treibenden Gletscher in der Lagune mit ihrem unwirklichen Blau waren die ersten Farben für mich seit 48h. Der Ice Beach war fast noch beeindruckender. Nachmittags ging es dann los zur Eishöhle. Die Anfahrt durch die Lavageröllwüste hat mir eine Menge Spaß gemacht, aber ich war ja auch schon F-Road-erfahren. Unser Guide hatte immer einen prüfenden Blick auf die Gruppe im Rückspiegel, und hat es sofort gesehen, als einer der asiatischen Jungs grün im Gesicht wurde. Wir haben dann ca. eine Stunde in der Höhle und am Rand des Gletschers verbracht. Der Vatnajökull ist schon sehr beeindruckend. Da würde ich gerne auch mal eine Ganztagestour drauf unternehmen. Später gab es wieder ein gemeinsames Abendessen, und danach war ich auch platt.

Am letzten Tag ging es zurück Richtung Reykjavík. Wir haben eine Herde Karibus gesehen und noch mal eine Stunde bei strahlendem Sonnenschein in Jökulsárlón verbracht. Dann hatten wir noch eine mit drei Tourgruppen sehr touristische Gletschertour auf dem wunderschönen Svínafellsjökull (auf dem ich auch mal gerne etwas einsamer unterwegs wäre) und einen kurzen Stopp im Skaftafell Infocenter. An der Tanke kurz vor der Abzweigung zum Gletscher habe ich den besten Lammburger meines Lebens gegessen. Abends waren wir wieder zurück in Reykjavík, und auch in der letzten Nacht hatte ich leider kein Nordlichterglück…

Tag 11:
Am Freitag ging es schweren Herzens wieder zurück in die Heimat. Ich habe ein extra-frühes Frühstück bekommen, und der Flybus zum BSI kam pünktlich. Am Flughafen habe ich mich noch einen Isländisch Sprachführer gekauft, und mich damit getröstet, dass ich Pläne für meinen nächsten Urlaub im September geschmiedet habe.

Mittlerweile ist das fast vier Wochen her. Die ersten Tage habe ich nur rumgegrummelt, und obwohl ich mich mittlerweile wieder in den Alltag zu Hause rein gefunden habe, denke ich jeden Tag über meine Septemberpläne nach. Ich habe mir Alben von isländischen Bands runtergeladen, lerne seit vier Wochen jeden Tag ein bisschen Isländisch und schaue regelmäßig auf den Aurora Forecast und ärgere mich. Auch wenn das schon wieder zu viel für einen Urlaub ist: Ich möchte Eisklettern, eine Tagestour zu einer Eishöhle machen, einen längeren Ausritt und entweder die Glacier&Volcano Tour oder die Laki to Skaftafell Tour von Trek. Dafür habe ich einen Trainingsplan gekriegt und arbeite jetzt daran, bis dahin backpacking-fit zu werden.

Tja, alles ein bisschen verrückt, das gebe ich zu, aber wer könnte das eventuell verstehen, wenn nicht ihr? ;-)
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Schneemann
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Re: 10 Tage Februar 2015 - Ich fürchte, mich hat's erwischt.

Beitrag von Schneemann » Sa 21. Mär 2015, 06:43

Danke für deinen Bericht.

Die atmende Puppe hat mich auch etwas irritiert :-)
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Sigrid
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Re: 10 Tage Februar 2015 - Ich fürchte, mich hat's erwischt.

Beitrag von Sigrid » Sa 21. Mär 2015, 09:18

Hi,
danke für das Feedback. Davon lebt ein Forum ja auch. Schön, dass alles so gut geklappt hat. Ja, dich scheint es erwischt zu haben. Die Entzugserscheinungen gehören ab jetzt zu deinem Leben.
Willkommen zu Hause.
Sigrid
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NinaP.
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Re: 10 Tage Februar 2015 - Ich fürchte, mich hat's erwischt.

Beitrag von NinaP. » Sa 21. Mär 2015, 17:56

Hallo Kim,
schöne Erlebnisse! Und immer schön, wenn andere auch so Island abhängig werden ... grins.
Na dann, herzlich willkommen im Club
Gruß Nina

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