Schwefeldioxidwolke

... und andere -logien.
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Andi Schönberger
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Re: Der Ausbruch Bárðarbunga / Holuhraun 2014

Beitrag von Andi Schönberger » Do 27. Nov 2014, 14:23

Sul­phur from the erup­tion could prove dras­tic to Ice­landic na­ture
The sulphur emissions from the eruption could be disastrous for Iceland's vegetation.
Wie sieht es da eigentlich mit der Wasserqualität in den Flüssen und Bächen aus? Gibt es da Messungen?

...was mich auch noch brennend interessieren würde: Kann man das Schmelzwasser von Schnee bei der derzeitigen Lage eigentlich dann trinken?

LG Andi
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Re: Schwefeldioxidwolke

Beitrag von Peturvilhjalmur » Do 27. Nov 2014, 16:18

Wenn ich mich recht erinnere, enthält der gefallene Schnee bereits jetzt schon ein hohes Mass an Rückständen des SO 2-Ausstosses. Inwieweit das für den menschlichen Genuss bedenklich ist, können wohl nur Lebensmittelchemiker o.ä. wirklich beurteilen. Da der Ausbruch nahezu unvermindert anhält, dürfte das mit Sicherheit auch entsprechende Folgen für die Flüsse und besonders die zahlreichen Seen haben. Die Übersäuerung wird den Fischen (hier die schützende Schleimhaut auf dem Schuppenkleid) und besonders den kalkpanzertragenden Tieren wie Krebse und Muscheln erhebliche Probleme bereiten. Darüber gibt es natürlich noch keine gesicherten Erkenntnisse, da das ja alles erst wenige Wochen alt ist und wahrscheinlich erst im kommenden Jahr erste, gesicherte Schlüsse gezogen werden können.
In einem anderen thread bzgl. des Ausbruchs des Bardarbunga hatte ich dazu schon einige Bemerkungen gemacht.
Gruß Peturvilhjalmur
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Primordial
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Re: Schwefeldioxidwolke

Beitrag von Primordial » Do 27. Nov 2014, 16:23

Hi.

Der Frage gehe ich auch gerade nach.

Hier ist ein recht kurzer Artikel dazu:
http://icelandreview.com/de/news/2014/1 ... m-hochland
Zitat:
"Die gesamten Niederschläge im Süden und Osten bis in den Hornafjörður seien saurer als normal gemessen worden. Die Schwefelsäure sitze auf den Schneekristallen und löse sich beim Schmelzen als erstes. Das Wasser der Schneeschmelze sei also besonders sauer."
Wichtig ist natürlich auch die Angabe wie viele LKW Ladungen SO2 täglich ausgespuckt werden, obwohl eine Angabe in Fußballfeldern vielleicht einfacher verständlich wäre???

Ich denke falls das (Schmelz)wasser belastet ist wird man es wohl schmecken, blöd nur wenn nichts anderes zur Verfügung steht. Schmelzwasser, das ich aus Schneefeldern südlich der Askja und im Gebiet Fremrinámur im Sommer gewonnen habe schmeckte teilweise stark nach Solfataren-Schwefel. Der Geschmack von SO2 sollte zwar anders, aber ebenfalls eindeutig sein. Wie es wohl mit den anderen Bestandteilen, z.B. Fluor, aussieht?

Man könnte ja bei zukünftigen Touren mit Lackmuspapier und Natronlauge sein Trinkwasser "einstellen" ;)

Es ist ja auch die Frage ob es in naher Zukunft überhaupt erlaubt wird abseits der Zufahrtswege individuelle Touren in der Gegend durchzuführen, selbst wenn der Ausbruch mal versiegt? Wahrscheinlich wird vorher eine Autobahn gebaut...

VG
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Re: Schwefeldioxidwolke

Beitrag von snaefell » Do 27. Nov 2014, 17:19

Primordial hat geschrieben:anders, aber ebenfalls eindeutig sein. Wie es wohl mit den anderen Bestandteilen, z.B. Fluor, aussieht?
Halogene oder deren Säuren sind bisher nicht in nennenswerten Mengen gefunden worden, soweit ich weiss.

Christian
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Andi Schönberger
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Re: Schwefeldioxidwolke

Beitrag von Andi Schönberger » Do 27. Nov 2014, 18:25

Primordial hat geschrieben:Man könnte ja bei zukünftigen Touren mit Lackmuspapier und Natronlauge sein Trinkwasser "einstellen" ;)
Zum Holuhraun will ich nicht, mir hat damals der Pyroklastisch Strom oder was auch immer da den Berg vom Eyjafjallajökull hinabgestürzt ist, genug Respekt eingeflößt. In dem Moment war ich gerade am Ýmir gegenüber unterwegs

Die Idee mit Hilfe von Lackmuspapier und Natron das Wasser "abzuschmecken" hab ich auch schon von anderer Seite gehört...

Der PH Wert sollte dann wohl stimmen aber irgendwelche anderen Vergiftungserscheinungen sind nicht bekannt???

PH Wert 3,2 ist ja ziemlich heftig. Wer weis ob da nicht die Skier weg ätzten und welches Wachs da funktioniert :):)

Das heißt aber nun dass es vorher richtig schneien sollte und keine weitere Kontamination stattfinden sollte damit das ganze gut schmeckt

Danke für den Artikel

LG Andi
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Re: Schwefeldioxidwolke

Beitrag von Surtur » Do 27. Nov 2014, 21:26

Andi Schönberger hat geschrieben: Die Idee mit Hilfe von Lackmuspapier und Natron das Wasser "abzuschmecken" hab ich auch schon von anderer Seite gehört...

Der PH Wert sollte dann wohl stimmen aber irgendwelche anderen Vergiftungserscheinungen sind nicht bekannt???

PH Wert 3,2 ist ja ziemlich heftig. Wer weis ob da nicht die Skier weg ätzten und welches Wachs da funktioniert :):)
Uups, jetzt muss ich aber als Chemiker kurz in Klugschnackermodus verfallen:

Wenn man die Säuren neutralisieren wollte - gesetzt den Fall, man bringt das "so aus dem Handgelenk", mit Lackmuspapier und Natronlauge, einigermaßen hin -, dann blieben in der Lösung noch immer die Salze der zuvor neutralisierten Säuren übrig. Bei Schwefeldioxid wäre das wohl Natriumsulfit (neben dem durch Luftoxidation der schwefligen Säure zusätzlich noch entstandenen Natriumsulfat - die genauen Mengenverhältnisse sind schwer vorherzusagen). Nun werden Sulfite in der Lebensmitteltechnik als Konservierungsmittel verwendet (Wein, Trockenfrüchte, etc.), aber manche Leute reagieren sensibel darauf. Kopfschmerzen werden in diesem Zusammenhang als erstes Symptom berichtet.

Wachs dagegen ist ziemlich säureunempfindlich - die Skier sollten also unbeschädigt bleiben... :mrgreen:

Vielleicht macht ja ein Freiwilliger dort oben einen Selbstversuch... :mrgreen:
Die isländischen Vulkane verhalten sich allerdings, ähnlich wie das isländische Wetter, ziemlich isländisch. (NeitherErnie)
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Re: Schwefeldioxidwolke

Beitrag von Primordial » Do 27. Nov 2014, 21:59

Gut dass sich mal jemand meldet der sich auskennt :D

Irgendwie habe ich mir schon gedacht dass es nicht ganz so einfach ist...
Man müßte dann wohl noch eine kompakte Outdoor Titrations-Ausrüstung im Rucksack haben :mrgreen:

Aber mal ernsthaft: Gibt es da "praktikable" Lösungen?
Mit Geschmack und Lackmuspapier kann man ja zumindest mal testen wie die Wasserqualität ungefähr ausschaut.
Aber was tun wenn man theoretisch kein anderes Wasser zur Verfügung hat?

VG
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Re: Schwefeldioxidwolke

Beitrag von Uwe » Fr 28. Nov 2014, 00:49

Ich bin auch kein Experte über dieses Thema, aber ich habe mich mal etwas angelesen. Fakt ist natürlich das die Aufnahme von Sulfat einerseits völlig natürlich ist. Andererseits hängt wie so vieles im Leben von der Dosis ab. Gesunde erwachsene Menschen verkraften i.d.R. eine erhöhte Dosis, aber dies nur für einen bestimmten Zeitraum, welches wiederum von der individuellen gesundheitlichen Verfassung eines jeden abhängt.
Eine Untersuchungsserie in Nordamerika hat gezeigt, dass in der Anteil an Sulfat in Grundwasser zwischen <1 bis über 700 mg/Liter betrug, wobei der Durchschnittswert zwischen 4-5 mg/L lag und nur 3% der untersuchten Proben mehr als 250 mg/L besaßen. Der durchschnittliche Wert von unbehandelten Trinkwasser lag bei 22,5 mg/L und behandeltes Trinkwasser enthielt nur noch 12,5 mg/L Sulfat. Dies nur einmal als ungefähre Richtwerte für eine ungefährliche Aufnahme von Sulfat.
Es wurden auch Untersuchungen durchgeführt, welche eine Aufnahme einer höheren Dosis beinhalteten und je höher die Dosis war, desto mehr Leute berichteten von einer abführenden Wirkung der Nahrung. Besonders die Aufnahme von mehr als 1000 mg/L Sulfat hatte einen abführenden Effekt auf die meisten Probanden.

Um es also zusammenzufassen: Wenn jemand demnächst nach Island reist, um irgendwo (v.a. in der Nähe der derzeit aktiven Vulkans) eine Tour zu unternehmen und dort unbehandeltes Wasser trinkt, der sollte auf seinen Stuhlgang achten. Sobald sich jemand schlecht fühlt und Durchfall mit oder ohne Erbrechen hat, der sollte möglichst schnell die Gegend verlassen und einen Arzt aufsuchen.

Uwe
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Re: Schwefeldioxidwolke

Beitrag von MartinB » Sa 29. Nov 2014, 15:21

Ich behaupte mal locker flockig, dass die Frage letztlich theoretisch nicht zu beantworten ist - es gibt viel zu viele Unbekannte. Experimentelle Erfahrungen werden notwendig sein. Wer waren doch gleich die Freiwilligen?

Etwas ausführlicher:
Relativ klar ist, dass die "Abgase" des Ausbruchs nicht in so hohe Luftschichten transportiert werden, wie bei einem kräftig eruptivem Ausbruch und dass somit die regionalen Auswirkungen deutlich kräftiger sind. Klar ist ebenfalls, dass der Ausbruch auch enorme Mengen SO2 freisetzt. Aber selbst wenn man nur das Schwefeldioxid betrachtet (und Wechselwirkungen mit den anderen Bestandteilen des Abgases nicht berücksichtigt und unterstellt, dass auch die "übliche" Oxidation zu Schwefelsäure im normalen Umfang stattfindet), bleiben die unterschiedlichen Windrichtungen, Windgeschwindigkeiten und Niederschlagsverteilungen. Wenn ich mir die Feinteiligkeit anschaue, die das isländische Wetter teilweise an den Tag legt, gehe ich von lokal sehr unterschiedlichen Belastungen aus.

Der gemessene pH-Wert von 3,2 war - soweit ich mich recht erinnere - ein einzelner Niederschlagswert. Ansonsten ist wohl die Rede von "etwas saurer als sonst" - was immer die Isländer auch darunter verstehen mögen. Zur Erinnerung: Als das Thema "saurer Regen" in Deutschland in den 80er mehr Aufmerksamkeit erfuhr, waren Niederschlags-pH-Werte von 4,2 - 4,5 "normal" - nicht nur im Ruhrgebiet oder im Oberharz. Aber Achtung: pH ist logarithmisch - bei pH 3,2 sind 10x so viele "Säureteile" vorhanden als bei pH 4,2.

Auch die Erfahrungen mit dem sauren Regen in D zeigen, dass die Pflanzen sehr viel empfindlicher darauf reagieren - möglicherweise auch, weil sie der Belastung ja auch dauern ausgesetzt sind und nicht temporär. Bei der Frage der Auswirkung von belastetem (Schmelz-)Wasser kommt jetzt der nächste Punkt: Habe ich nur einmal "Pech" und muss mir höher belasteten Schnee schmelzen, oder habe ich das zweifelhafte "Vergnügen" über mehrere Tage hintereinander (vielleicht weil ich an einem belasteten Punkt abwettern muss und nicht ausweichen kann).

Neutralisieren: Wenn ich in die Richtung ernsthaft denken würde, dann aber nicht mit Natronlauge. Das entstehende Salz ist unter dem Namen "Glaubersalz" als Abführmittel bekannt ... Ich würde dann eher in Richtung Calciumhydroxid denken. Das ergibt dann Gips. Calciumhydroxid ist auch bekannt als Kalkwasser oder Kalkmilch oder gelöschter Kalk. Das wäre dann das, was bei der Rauchgasentschwefelung in unseren Kraftwerken gemacht wird. Aber auch hier gilt, was Uwe geschrieben hat: Es ist alles eine Frage der Konzentration: Das Zeug ätzt ("Kalken der Ställe") und ist in höheren Dosen auch nicht gesundheitsförderlich ...

Meine chemischen Kenntnisse sind ein wenig eingerostet: Was passiert, wenn Schwefelsäure Aktivkohle passiert? Ist die Säure so stark hygroskopisch, dass sie der Verlockung der Kohle widersteht? Oder wäre ein Wasserfilter auf Aktivkohlebasis vielleicht die bessere Option als der Versuch einer Neutralisation?

"Das Restrisiko ist das Risiko, was uns den Rest gibt." - das war vor vielen Jahren mal ein Spruch aus der Anti-AKW-Bewegung. Hoffen wir mal, dass er im Islandkontext nicht wieder aktuell wird.
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Re: Schwefeldioxidwolke

Beitrag von Argish » Sa 29. Nov 2014, 17:34

MartinB hat geschrieben:Wenn ich mir die Feinteiligkeit anschaue, die das isländische Wetter teilweise an den Tag legt, gehe ich von lokal sehr unterschiedlichen Belastungen aus.

Das ist Jahreszeiten abhängig. Jetzt im Winter sind es zu 80% Südwest-, Süd- und Nordwinde die wehen. Es trifft also den Norden und den Süd-südosten. Das Hauptstadtgebiet wird von der Verschmutzung wenig mitbekommen.
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